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15.05.2014, 20:30 2. Bildungsweg Umschulung – Chance oder Zeitverschwendung? #1
„Das Ziel einer Umschulung besteht darin, im neu erlernten Beruf eine Anstellung zu finden, um seinen Lebensunterhalt zu finanzieren und möglichst langfristig im Arbeitsleben verweilen zu können.“ (Quelle: http://www.wuu.de/umschulung.html)
Was so einfach und sinnvoll erscheint, ist in Wirklichkeit harte Arbeit. Denn nicht immer finden Umschüler nach erfolgreich beendeter Ausbildung auch direkt einen Arbeitsplatz. Auch die Übernahme durch den Praktikumsbetrieb ist längst nicht selbstverständlich. Sicher, eine zusätzliche Ausbildung ist immer irgendwie eine Chance. Doch macht sie wirklich Sinn, wenn man auch schon vorher Schwierigkeiten hatte, einen Job zu bekommen, weil die Chancen auf dem regionalen Arbeitsmarkt eher gering sind? Bevor aus dem Umschulungswunsch konkret eine Umschulung wird, werden deshalb verschiedene Analysen durchgeführt. Zunächst mal wird der Umschulungswillige dahingehend getestet, ob er überhaupt in der Lage ist, die IHK-Abschlussprüfung erfolgreich zu absolvieren. Immerhin kostet eine derartige Maßnahme „Vater Staat“ nicht unerheblich viel Geld. Rund 25.000,- Euro zzgl. der Übernahme von Fahrt- und Kinderbetreuungskosten sowie der Weiterzahlung des ALG I für die Zeit der Umschulung, durfte die Agentur für Arbeit allein für mich auf den Tisch des Bildungsträgers legen. Doch nicht nur der potentieller Umschüler, sondern auch der Arbeitsmarkt wird vor einer verbindlichen Zusage, durch die Arbeitsagentur genau überprüft. Sind die Chancen auf eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung in diesem Beruf eher dünn gesät, oder werden in diesem Bereich ohnehin händeringend Fachkräfte gesucht? Als ich vor gut zwei Jahren meine Umschulung zur Bürokauffrau begann war ich mir sicher, die Unternehmen würden mir später einmal „die Tür einrennen“ und ich würde mich vor Vorstellungsgesprächen nicht retten können. Ich hatte Angst, ich würde mich nicht entscheiden können, welchen der vielen Jobs ich annehmen soll, die mir angeboten werden würden. Sonst hätte man mir ja schließlich diese Umschulung nicht genehmigt, oder doch? Bereits, als ich mich auf die Suche nach einem Praktikumsplatz machte, den ich für den praktischen Teil meiner Ausbildung benötigte, kamen mir erste Zweifel. Und ich begann, mich zu fragen, ob ich nach der Abschlussprüfung vielleicht auf dem Abstellgleis landen werde und diese zwei Jahre verschwendete Zeit sein würden. Also legte ich mich mächtig ins Zeug, verbot mir fortan jegliche Aktivitäten außerhalb der Schulzeit und beschäftigte mich fast ausschließlich mit meinen Büchern und dem Lernstoff. Mein Ehrgeiz und die Fähigkeit, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren und es für mich zusammenzufassen, bescherten mir ein Prüfungsergebnis, mit dem ich nicht mal im Traum gerechnet hatte. Als Klassenbeste mit einem Prüfungsdurchschnitt von 1,5 würde ich nicht mal zwei Wochen Urlaub zwischen Ausbildungsende und Arbeitsaufnahme haben. So viel war sicher. Heute – vier Monate nach meiner mündlichen Prüfung – sitze ich noch immer zu Hause in meinem kleinen Büro und schreibe Bewerbungen, bis mir die Finger bluten. Ich persönlich habe in den vergangenen Monaten immer wieder den Eindruck gewonnen, als Umschüler ein „Bewerber zweiter Klasse“ zu sein und deshalb meist allzu schnell auf dem Stapel „ungeeignet“ zu landen. Ich fragte mich, woran das liegen mag und stellte die beiden wichtigsten Formen zur Erlangung eines Berufsabschlusses gegenüber. Umschüler haben generell mindestens ein Defizit – sonst wären sie nicht zu Umschülern geworden, sondern würden in ihrem ursprünglich erlernten Beruf arbeiten. Sie sind also entweder ungelernt, haben eine Behinderung und / oder sonstige Einschränkungen. Möglicherweise liegen sie auf dem Arbeitsmarkt auch herum wie „Sauerbier“, weil sie nicht in der Lage sind, sich im Arbeitsalltag zu behaupten oder sind nicht anpassungsfähig. Und sie sind alt. Was es auch sei; sie sind in jedem Fall nicht vermittelbar und deshalb potentielle Kandidaten für den zweiten Bildungsweg. Umschulungen wird zudem oft nachgesagt, sich auf ein Minimum an beruflichem Wissen zu beschränken und nur an der Oberfläche der berufsspezifischen Themen zu kratzen. Diese Behauptung ergibt sich aus der Tatsache, dass ein Umschüler nur zwei, statt der üblichen drei Jahre ausgebildet wird. Abzüglich des 6-monatigen Praktikums, diverser Feiertage und Ferien kommen wir netto auf weniger als anderthalb Jahre, für die Vermittlung des berufsrelevanten Stoffes. Klassische Azubis hingegen kommen in den meisten Fällen direkt aus der 10. Klasse. Sind frisch, unverbraucht, lernfähig und haben noch ihr ganzes Arbeitsleben vor sich. Sie lernen im „dualen System“ und können so die, in der Berufsschule gelernte Theorie, in ihrem Ausbildungsbetrieb praktisch anwenden. Als ehemalige Umschülerin in meiner Bewerbung über Berufserfahrung zu berichten, finde ich deshalb immer ein wenig lächerlich. Denn, seien wir mal ehrlich: Was sind schon sechs Monate praktische Erfahrungen im Vergleich zu einer dreijährigen praktischen Ausbildung? Die berufliche Weiterbildung, aus dieser Sicht betrachtet, scheint also doch eher eine Sackgasse zu sein. Man versetze sich einmal in die Lage eines Personalverantwortlichen: Die Vermutung liegt nahe, dass sich dieser eher für einen jungen, unverbrauchten und ehrgeizigen Azubi und gegen einen alternden, mit Defiziten behafteten Umschüler, der noch dazu kaum Berufspraxis vorweisen kann, entscheiden wird. Vor allem dann, wenn er diesen Azubi bereits im Vorfeld selber ausgebildet hat. 1983 nahmen 58% von insgesamt 4.393 Umschülern, die ihre berufliche Weiterbildung erfolgreich abgeschlossen haben, innerhalb von 3 – 6 Monaten eine Erwerbstätigkeit auf. Dies geht aus einer Studie von Dr. Reinhard Hujer, Professor für Statistik und Ökonometrie aus Frankfurt/Main hervor. 1.080 Umschüler entfielen dabei auf Organisations-, Verwaltungs- und Büroberufe, was den Großteil der Umschüler ausmacht. Doch wie ist das heute? Gut zwanzig Jahre später? Eine Umfrage unter meinen ehemaligen Mitschülern ergab, dass rund 60 % nach ihrer Umschulung eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufnehmen konnten. Die Zahl hat sich demnach etwa gleich geblieben. Ist eine Umschulung also, trotz aller Unkenrufe und der Behauptung, die Agentur für Arbeit betreibe Schönmalerei in Sachen Arbeitslosenzahlen, doch eine Chance, der Arbeitslosigkeit zu entfliehen? Nicht ganz. Betrachtet man einmal die Standorte derer, die nach ihrer Umschulung in Lohn und Brot gekommen sind, so fällt auf, dass es sich hierbei fast ausschließlich um größere Städte mit entsprechender Infrastruktur handelt. Doch ich habe die leise Hoffnung, dass in Zeiten des Konjunkturaufschwungs die Arbeitslosenzahlen auch in ländlicheren Gebieten weiter rückläufig sind und sich auch die erfolgreich abgelegten Prüfungen derer, die nach wie vor auf der Suche nach einer Möglichkeit, ihr erlerntes Wissen in der Praxis anzuwenden, in nicht allzu ferner Zukunft bezahlt machen werden. Ist also nun eine Umschulung tatsächlich reine Zeitverschwendung oder doch die Chance, die Arbeitslosigkeit hinter sich zu lassen?Ich sage: Ja, sie ist eine Chance. Denn auch, wenn man das neu erlernte Wissen vielleicht nicht gleich in Berufsalltag einsetzen kann, so kann es doch in vielen anderen Situationen nützlich sein.
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2. Bildungsweg Umschulung – Chance oder Zeitverschwendung?
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12.08.2014, 12:22 2. Bildungsweg Umschulung – Chance oder Zeitverschwendung? #2
Ich habe von vielen gehört, dass ihnen die Umschulung wirklich neue Türen in neue Sparten geöffnet hat und sie ihren Wünschen nach Veränderungen dadurch durchaus ein Stück näher gekommen sind. Als Zeitverschwendung würde ich es nun wirklich nicht betiteln. Mehr als eine Umschulung wäre dann aber schon wieder sinnlos, weil man damit sich ja nur selber eingesteht, dass die erste Umschulung wirklich nur Zeitverschwendung war!
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12.08.2014, 12:48 2. Bildungsweg Umschulung – Chance oder Zeitverschwendung? #3
Meine Mutter hat mehrere Umschulungen hinter sich. Keine davon war Zeitverschwendung. Sie hatte ursprünglich Kellnerin im Betrieb ihrer Eltern gelernt, war dann aber während ihrer Ehe Hausfrau. Nach der Scheidung hat sie lange Zeit als Verkäuferin gearbeitet, bis sie dort keine Anstellung mehr bekommen hat, weil sie zu viel Berufserfahrung hat (also wesentlich höheren Stundenlohn bekommen müsste). Sie hat zuerst eine Umschulung zur Familienpflegerin gemacht, womit sie zuerst in der Nach-Schulbetreuung und danach als Integrationshelferin an einer Behindertenschule gearbeitet hat. Nun ist sie nicht mehr die Jüngste, und ihr Rücken hat die Arbeit mit den Kindern nicht mehr mitgemacht. Ihre zweite Umschulung war dann eine Weiterbildung zur Demenzbetreuerin. Sie hat auch sofort eine Anstellung in einem Altenpflegeheim bekommen, wo sie nun seit ein paar Jahren halbtags arbeitet. Ich finde es sehr gut was meine Mutter gemacht hat. Alle Umschulungen waren nötig für sie, damit sie, angepasst an ihre aktuelle Lage, weiter berufstätig bleiben konnte und alle waren in Berufe die gesucht und unterbesetzt waren (sonst zahlt das Amt es ja auch nicht).
Natürlich hat sie den Vorteil in einem Ballungsraum zu wohnen, wo man wesentlich mehr Angebot hat als in Kleinstädten.