Die beste Starthilfe für Kinder ist eine gute Ausbildung. Wie Eltern die richtigen Kindergärten, Schulen und Unis finden, was sie zahlen müssen, wie sie Bildung finanzieren und wie sie Fördergelder und Steuervorteile nutzen.
Für Lena und Heiko Rohde* war klar: Ihre Tochter sollte auf eine staatliche Schule. „Meine Eltern steckten mich immer in die nächstgelegene Schule. Geschadet hat das nicht“, sagt Jurist Rohde. Die Tochter sollte „keinesfalls elitär“ erzogen werden. Das war praktisch – die nächste Grundschule in dem Städtchen im Frankfurter Speckgürtel lag 1500 Meter entfernt – und preiswert. „Ein Staat muss doch in der Lage sein, allen Kindern eine vernünftige Ausbildung zu verschaffen – dachte ich damals“, sagt Lena Rohde, die halbtags als Apothekerin arbeitet.
Ein Jahr später waren die Eltern um eine Illusion ärmer. „Montags sprangen die vom TV-Konsum am Wochenende vollgedröhnten Kinder im Unterricht über die Tische; die junge Lehrerin war engagiert, aber mit fünf Problemkindern völlig überfordert“, sagt Lena Rohde. Ständig fiel Unterricht aus, die Kinder wurden häufig schon nach der dritten Stunde entlassen.
Eine neue Rektorin verbesserte nichts: Sie war von einer anderen Schule nach Eltern- und Lehrerprotesten entlassen worden, hatte sich aber wieder ins Schulsystem hineingeklagt. „Ihre erste Maßnahme war, dass sie ihr Büro rosa streichen ließ“, sagt Lena Rohde. Als dann auch noch Hessens Ministerpräsident Roland Koch seine „Unterrichtsgarantie plus“ verkündete – in Hessen können Kinder seither auch von Handwerkern, Sportübungsleitern, Eltern oder Pensionären unterrichtet werden – und sie von der Rektorin einen Rundbrief bekamen, ob sie nicht jemanden wüssten, besondere Qualifikationen seien nicht nötig, reichte es: Rohdes meldeten ihre Tochter auf einer Privatschule an.
Solche Extremerfahrungen machen längst nicht alle Eltern, natürlich. Es gibt staatliche Schulen zuhauf, in denen Schulleiter und Lehrer ihre Aufgaben ernst nehmen, wo Kinder ungestört lernen können, wo Problemschüler gefördert und Initiativen in Sachen Betreuung, Fremdsprachen oder musischer Angebote gestartet wurden. Nur sind sie immer noch nicht die Regel.
Sieben Jahre nach der ersten Pisa-Studie, die deutschen Schülern ein eher bescheidenes Bildungsniveau bescheinigte, erstarrt das deutsche Schulwesen immer noch in alten Verkrustungen. Der in diesem April erschienene OECD-Wirtschaftsbericht listet gleich 15 Punkte auf, an denen das deutsche Bildungssystem krankt. Bemängelt wird beispielsweise, dass
– Bildungschancen nach wie vor stark vom Geldbeutel der Eltern abhängen;
– Lehrer nicht nach Leistung bezahlt werden;
– Schulen die notwendige Autonomie bei Lernzielen und -konzepten fehlt.
Und das alles, obwohl Bund, Länder oder Gemeinden Jahr für Jahr etwa 200 Milliarden Euro in Bildung, Forschung und Wissenschaft pumpen.
„Finanzmittel sind genug da, sie müssten nur anders verteilt werden“, sagt Axel Plünnecke, Bildungsforscher am Institut der Deutschen Wirtschaft. So fließe bei öffentlichen Schulen zu wenig in die Ausstattung und leistungsorientierte Boni für Lehrer, zu viel Geld gehe dafür für Grundgehälter drauf. „Da sich bei den Pädagogen Leistung nicht im Gehalt bemerkbar macht, ist das System nicht nur teuer, sondern auch ineffizient“, kritisiert Plünnecke.
Die Probleme der deutschen Schulen sind allerdings nur ein Symptom eines bürokratiegeplagten Bildungs- und Erziehungssystems. Probleme gibt es in allen Lebensphasen: Zu wenig bezahlbare Kita-Plätze, fehlendes Betreuungspersonal, überfüllte Hörsäle und veraltete Lernkonzepte begleiten Kinder und Eltern im schlimmsten Fall über 20 Jahre.
Da deutsche Eltern kaum ihre Kinder unter den Arm nehmen können, um ins Pisa-Musterland Finnland zu flüchten, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich in der Heimat nach der besten Ausbildung umzuschauen. Doch wie finden Familien die passenden Betreuungs- und Bildungsangebote? Wie teuer ist gute Bildung? Und was lässt sich vom Staat über Fördergelder und Steuervorteile wieder hereinholen?
Schon bald nach der Geburt eines Kindes meldet sich die harte Realität zurück: Windeln, Kinderbett und Strampler wollen bezahlt werden, ein Gehalt, in der Regel das der Mutter, fällt erst mal weg. Seit 2007 verschafft das Elterngeld Erleichterung. In den ersten zwölf Monaten zahlt der Staat zwei Drittel des letzten Gehalts des Elternteils, das eine Babypause einlegt.
Wenn dieses erste Jahr vorbei ist, stellt sich für Eltern die entscheidende Frage: Wiedereinstieg in den Job und das Kind in eine bezahlte Obhut geben – oder weiter als Hausfrau oder -mann die Kleinen hüten?
Für Millionen Bundesbürger erübrigt sich der letzte Gedanke, weil ein Gehalt nicht für den Lebensunterhalt der Familie reicht. Bildungspolitiker wiederholen gebetsmühlenartig, wie wichtig es für Familien sei, dass sich Beruf und Kindererziehung vereinbaren ließen.
Von den Versprechungen der Sonntagsredner merken Eltern in der Praxis aber wenig. Vertrauenswürdige Obhut für die Kinder zu finden gleicht häufig einem langwierigen Hindernislauf. Die Wartelisten preiswerter Tagesstätten sind lang und die maßgeschneiderte Betreuung aus privater Hand für viele unerschwinglich.
Erst 2013 soll nach dem Willen der Bundesregierung jedem dritten Kind im Alter von einem bis drei Jahren ein Betreuungsplatz zustehen. „Dieses Ziel halte ich für sehr ambitioniert, wenn es am Ende nicht nur bloße Verwahrstellen sein sollen“, sagt Jochen Schäfer, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen. Schon jetzt fehle es an qualifizierten Betreuern für diese Altersgruppe.
Oft hilft nur Eigeninitiative. Dabei stoßen Väter und Mütter allerdings unvermittelt auf Hindernisse, wie beispielsweise der Düsseldorfer Steuerberater Krischan Treyde. Der wollte seinen Sohn in einer Tagesstätte in der NRW-Landeshauptstadt unterbringen. Die Treydes hätten sich eine private Kita leisten können, lieber war ihnen aber eine öffentliche Tagesstätte.
So zogen sie von einem Kindergarten zum anderen. Im Gepäck ein Angebot, das Bildungspolitikern eigentlich wie ein Geschenk des Himmels vorkommen müsste: Die Treydes hatten eine Stiftung angezapft, die ein Projekt zur bilingualen Frühförderung unterstützt. Sie trägt für drei Jahre sämtliche Kosten für eine englische Kindergärtnerin. „Ich bin mit dem Konzept von einem Kindergarten zum nächsten“, so Treyde. „Alles, was ich hörte, war: Tolle Idee, wir melden uns.“ Ob die Dame, die zehn Jahre privat Englischunterricht gegeben hat, denn auch eine deutsche Erzieherinnenausbildung habe, ob ihr Einsatz denn mit deutschem Kindergartenrecht vereinbar sei – Bedenken über Bedenken. Erst ein junger evangelischer Pfarrer erkannte die Chance, die seinen Kindergartenkindern geboten wurde und griff beherzt zu.
Dass Kleinkinder nicht nur verwahrt oder mit dem die Erzieherinnen entlastenden „Freien Spielen“ beschäftigt, sondern sinnvoll betreut und gebildet werden können – diese Erkenntnis ist noch längst nicht in alle Kindertagesstätten und -gärten vorgedrungen. Notwendig wäre es: Zwischen dem ersten und sechsten Lebensjahr werden die Grundlagen für das spätere Fortkommen in der Schule gelegt.
Quelle: wiwo.de