27.01.2014, 10:35 Erfahrungen mit einer Inklusionsklasse #1
Vorgestern hatte ich mal wieder die Gelegenheit, ein ausführliches Telefongespräch mit meinem Bruder zu führen, was ausgesprochen selten vorkommt. Da ich erst vor Kurzem erfahren habe, dass er bereits seit knapp 1,5 Jahren die Fächer Erdkunde sowie Geschichte in einer sogenannten I-Klasse (Inklusionsklasse) unterrichtet und mich das Thema “Inklusion” zurzeit ohnehin sehr beschäftigt, war ich gespannt auf seine Erfahrungen, welche ich im Folgenden wiedergebe: Bei der in Rede stehenden Klasse handelt es sich um eine sechste Klasse in Niedersachsen, welche sich aus 18 “normalen” Schülern und drei Inklusionsschülern zusammensetzt. Diese drei leiden alle an schweren geistigen sowie körperlichen Behinderungen. Keines der in Rede stehenden Kinder kann auch nur ansatzweise schreiben, was sowohl mit körperlichen massiven Einschränkungen (zum Beispiel nur 2,5 Finger an jeder Hand) als auch mit dem recht schweren Grad der geistigen Behinderung zusammenhängt. Eine Förderschullehrerin sowie eine Sozialpädagogin betreuen die drei I-Kinder und haben auch die Möglichkeit, sich mit diesen in einen eigenen Raum “zurückzuziehen”. In der Anfangszeit, also zu Beginn der fünften Klasse, hätten sich zwei I-Schüler unentwegt gemeldet, ja, regelrecht permanent mit den Fingern “geschnipst”. Ihre Antwort lautete übrigens grundsätzlich “Hamburg!” – vollkommen unabhängig davon, welche Frage mein Bruder gerade gestellt hatte. Während der Pausen halten sich die Behinderten nahezu immer in ihrem eigenen Raum auf. Auf zahlreiche Ermutigungen von diversen Seiten, doch auch mal auf den Pausenhof zu gehen, reagieren sie nicht. Sie sind zudem nicht in der Lage, “richtig” zu sprechen. So können sie nicht einmal das “Guten Morgen”, welches mein Bruder selbstverständlich zu ihnen sagt, wenn er sie vor der Schule trifft, erwidern. Kontakte zwischen den “normalen” Schülern der I-Klasse und den Behinderten existieren nicht. Als mein Bruder unlängst die Aufgabe hatte, die Inklusionsmappe eines Schülers im Fach Erdkunde zu korrigieren sowie zu benoten, empfand er die Aufgabe als recht “absurd”, zumal nicht ein einziger Buchstabe in besagter Mappe von dem betreffenden Schüler geschrieben worden war. Vielmehr war das gesamte Material in fein säuberlicher Schrift von der Förderlehrerin ausgefüllt bzw. bearbeitet worden. Auch alle gezeichneten Umrisse von Ländern, Landkarten etc. stammten einzig und allein von ihr. Insgesamt bewertete mein Bruder die vorliegende Inklusionsmappe mit “gut”, lobte die Schrift etc., was natürlich gewissermaßen ein “Hohn” ist. Die Note “2” schreibe man laut Aussage meines Bruders ohnehin nur “pro forma” in den geschilderten Ordner. Letztendlich sei das alles nur ein “Spiel”, um es etwas krasser zu formulieren: ein großer “Selbstbesch…”. Als mein Bruder unlängst, zumal mehrere Schultage aufgrund eines Orkans in Niedersachsen ausfielen, alle Schüler der in Rede stehenden Klasse anrufen musste, um sie davon in Kenntnis zu setzen, dass die Erdkunde-Arbeit verschoben werden würde, staunte er nicht schlecht, als er bei einem Inklusionskind anrief und mit einer Anrufbeantworteransage konfrontiert wurde, die von dem I-Schüler persönlich stammte. Definitiv wäre kein einziges “Wort” dieser Ansage zu verstehen gewesen. Innerhalb seiner Schule ist meinem Bruder übrigens niemand bekannt, der von dem Inklusions-“Projekt” auch nur ansatzweise überzeugt sei. Selbst die Förderlehrerin, welche ich weiter oben erwähnt habe, nicht … Wie dem auch sei, man müsse so tun, als sei “alles in Ordnung”. Die Inklusion an Schulen sei ohnehin beschlossene Sache. Nach Einschätzung meines Bruders wird es etwa 30 Jahre dauern, bis “man” erkennen würde, dass dieser Ansatz wohl doch nicht so viel tauge, wie man sich ursprünglich davon versprochen habe. Dann würde man wieder Förderschulen ins Leben rufen, das Rad also gewissermaßen wieder zurückdrehen.
Eigentlich schade, dass gewisse Menschen im Ministerium etc. etwa 30 Jahre benötigen, um zu einer doch recht simplen Erkenntnis zu gelangen … ^^