Das “gelobte” Kleinkind

  1. 23.01.2014, 22:24 Das “gelobte” Kleinkind #1

    Guten Abend, bereits seit geraumer Zeit fällt mir auf, in welch extremem Maße meine Tochter und viele andere Mitglieder ihrer Kindergarten-Gruppe von ihrer Erzieherin, Kinderpflegerin etc. gelobt werden. Wenn meine Tochter zu Hause “Szenen” aus dem KITA-Alltag mit ihren “Babys” nachspielt, wobei meine Motte dann die Rolle einer Erzieherin, des Turnlehrers etc. übernimmt, lache ich mich mitunter innerlich fast tot, wenn sie vor lauter Begeisterungsrufen und Sätzen wie “Super! Das hast du ganz, ganz prima gemacht!”, “Klasse! Und jetzt gibt es für dich noch einen ganz großen Extra-Applaus!” kaum mehr aus ihrer euphorischen Lobeshymnen-Stimmung herauskommt und sich regelrecht überschlägt. Sie ist aber auch wirklich eine verdammt gute Rollenspielerin – das muss man ihr lassen. Mir wurde auch in einem Gespräch mit einer “Therapeutin” meiner Tochter vor mehreren Monaten mitgeteilt, dass man stets nur das Positive betonen solle und das Kind für ein aus meiner Sicht unmögliches Verhalten, welches ich hier jetzt nicht schildern möchte, in keiner Weise tadeln solle, sondern darüber gewissermaßen hinweggehen solle. Mit Lob käme man grundsätzlich weiter, als ein negatives Verhalten zu thematisieren. Sinngemäßes habe ich bereits häufig gehört bzw. gelesen. LOBEN, LOBEN, LOBEN!!! Nun bin ich keinesfalls jemand, der etwas gegen das Loben von Kleinkindern einzuwenden hat – und es gibt täglich genug Situationen, in denen mein Töchterlein ein Lob verdient hat und dieses dann auch selbstverständlich von mir erhält. Aber es gibt eben auch Momente, in denen meine Motte sich nicht “gut benimmt” – und ich sehe nicht ein, weshalb ich dies meiner kleinen Großen gegenüber nicht ansprechen sollte. Hierbei gilt es zu bedenken, dass Julika Aurelia ein ausgesprochen selbstbewusstes Mädchen ist. Insofern sollte man im Kindergarten unbedingt differenzierter vorgehen. Wenn ein Kleiner oder eine Kleine ein verschüchtertes Wesen hat, ist die positive Bestärkung/Bekräftigung natürlich in besonderem Maße angezeigt, aber bei extrem selbstbewussten Kindern, welche sich bisweilen auf gewissen Gebieten überschätzen, hätte ich kein Problem damit, wenn man diesen beispielsweise freundlich sagen würde: “Bei diesem Bild hast du dir aber noch nicht besonders viel Mühe gegeben. Das kannst du besser! Benutze doch noch andere Farben und male nicht nur ein paar Striche auf ein so großes Blatt Papier!” Ich bin mir sicher, dass meine Tochter eine solche Bemerkung in keiner Weise “schlimm” finden würde und wahrscheinlich auch auf die Anregung mit mehr Eifer reagieren würde. Habt ihr ähnliche Erfahrungen mit dem “gelobten” Kleinkind gemacht? Welche Ansicht vertretet ihr zu meinen Ausführungen?

    Liebe Grüße von Ulrike

  2. 24.01.2014, 16:09 Das “gelobte” Kleinkind #2

    Mir wäre wirklich sehr daran gelegen, ein “Feedback” zu bekommen. Deshalb schiebe ich meinen Thread vom gestrigen Abend noch einmal nach oben bzw. an den Anfang der aktuellen Beiträge.

    Es geht in diesem Falle schließlich auch um Essenzielleres als um die Frage, ob man Fast-Food online bestellt oder nicht … heiligenschein-7323986

  3. 25.01.2014, 13:44 Das “gelobte” Kleinkind #3

    Uh, gute Frage, gutes Thema. Die von Dir beschriebene Situation im Rollenspiel hatten wir hier bislang noch nicht. Obwohl Finja eigentlich auch sehr viel mit ihrer “Bella” und ihren Teddys nachspielt. Sie hält dabei dann eigentlich eher mir bzw. meinem Mann den Spiegel vor. Szenen aus dem Kindergartenalltag habe ich da noch nicht gesehen. Ich kann mir für unseren Kindergarten aber auch nicht vorstellen, dass die da sooo extrem mit Lob arbeiten. Klar wird es den dort geben, so wie es den zu Hause eben auch gibt. Aber ich habe Finjas Erzieherinnen so kennengelernt, dass die sehr wohl auch negatives Verhalten kommentieren und schimpfen und auch das von Dir beschriebene “Das kannst Du doch besser” habe ich schon das ein oder andere Mal donnerstags in der Sportverein-Turngruppe (wird von Finjas Erzieherin geleitet) gehört. Prinzipiell finde ich es gut bzw. kann ich es gut nachvollziehen, dass man mehr erreicht, wenn man positives lobt und negatives ignoriert. Alles, was Kinder tun, tun sie deshalb, um eine Reaktion bzw. Aufmerksamkeit zu erhalten. Dabei werten sie nicht aus, ob die Reaktion auf ihr Verhalten für sie gut oder schlecht ist, sondern nur, dass sie ein Feedback bekommen haben. Ich mag zwar den Vergleich eigentlich nicht, aber in gewisser Weise gibts da Parallelen zwischen Kindern und Hunden. Ein Verhalten, welches keinerlei Reaktion nach sich zieht, wird als “wirkungslos” abgehakt und nicht wiederholt. Deshalb wird immer wieder geraten, schlechtes Verhalten unkommentiert zu lassen. Lässt sich so aber nicht in die Realität umsetzen, denn ich möchte mal jemanden erleben, der es gänzlich unkommentiert lässt, wenn der Sprössling mit Filzstift die Wände voll malt, eine ganze Rolle Klopapier in der Toilette versenkt oder ähnliche “Scherze”. Wir sehen hier allerdings tatsächlich zu, Lob und Tadel im Gleichgewicht zu halten und abzuwägen, ob ein schlechtes Verhalten jetzt unbedingt eine Reaktion unsererseits nach sich ziehen lassen muss. Aber Du wolltest wahrscheinlich eher auf “loben oder anregen” hinsichtlich gemalter Bilder, ausgeführter Arbeiten etc. hinaus? In diesen Fällen mache ich es spontan von der Situation abhängig. Bei Finja ist es z.B. so, dass sie eigentlich nicht gerne malt bzw. da auch kein Durchhaltevermögen hat. Über jedes Bild, was sie malt, freue ich mich total und da sage ich ihr dann auch, dass sie das toll gemacht hat. Wir entscheiden dann gemeinsam, ob es sich lohnt, das Bild aufzubewahren oder nicht – und das zeigt ihr dann in dem Moment auch, ob das Bild jetzt wirklich supergut war oder sie es eigentlich besser kann.

    Wohingegen ich beim puzzlen eher geneigt bin, wenig zu loben – denn das kann sie eigentlich aus dem eff-eff.

  4. 25.01.2014, 20:47 Das “gelobte” Kleinkind #4

    Natürlich ist loben wichtig. Allerdings müssen Kinder auch ab und zu mit ,,Kritik” zurecht kommen. Ich denke, im Kindergarten deiner Kleinen wird nicht nur gelobt, sondern vielleicht besonders laut gelobt und nur leise ,,getadelt”. (Oder sie spielt nur die guten Sachen nach wink-8169067)
    Die Kritik z.B. beim Malen muss gut dosiert und nicht abwertend dem Kind gesagt werden. Es gibt ja (leider) genug Eltern, welche ihr Kind regelrecht ,,herunter ziehen”.

  5. 25.01.2014, 22:37 Das “gelobte” Kleinkind #5

    Nein, die “Kleineren” (also die Drei- und Vierjährigen) werden im Kindergarten wirklich nur gelobt, wie ich es selbst während der Eingewöhnungsphase erlebt habe – und auch erlebe, wenn ich meine Tochter abhole und sie gerade noch mit etwas beschäftigt ist, was sie in dem Moment unbedingt noch zu Ende bringen möchte. Bei den sogenannten Vorschulkindern verhält es sich mitunter durchaus anders. Als meine Tochter unlängst mal wieder eine Turnstunde mit ihren “Babys” nachgespielt hat, fiel ein einziges Mal die Bemerkung: “Noch nicht ganz richtig …”, was natürlich auch ein “wunderbarer” Euphemismus ist bzw. sein kann und was lediglich ein einziger Erzieher, der öfter mit den Kindern turnt, zu sagen pflegt. Dass mein Schätzchen künstlerisch kein (nennenswertes) “Talent” hat, stört mich im Übrigen keinesfalls. Ich selbst würde mich künstlerisch als gänzlich unbegabt einstufen. Selbstredend würde ich nie auf die Idee kommen, Julika Aurelia deswegen “herunterzuziehen” – auch nicht, wenn es um andere Bereiche geht. Sie malt im Kindergarten übrigens recht viel und hat auch Freude daran, zeigt aber noch keine Ansätze von gegenständlichem “Zeichnen”, womit ich allerdings auch überhaupt kein Problem habe. Wenn sie sich Mühe gibt, ist sie aber in der Lage, ein gesamtes Blatt “abstrakt” zu gestalten – und wenn sie sich keine Mühe gibt, dann belässt sie es bei einigen “Ansätzen”. (Dafür gibt sie ihren Werken wunderbare Titel und “analysiert” alles, was im Flur und im Foyer ihrer KITA an Gemaltem sowie Gebasteltem zu sehen ist, beeindruckend detailliert.) Meine Motte lebt übrigens in dem Glauben, dass sie für ihr Alter super malen könne und eigentlich jedes ihrer Bilder eingerahmt werden müsste. Der “Kunstbereich” sollte wirklich nur als Beispiel dienen.

    Ich denke auch, dass gerade sehr selbstbewusste Kinder lernen müssen, mit “Kritik” umzugehen. Schließlich werden sie spätestens in der Schule nicht mehr permanent über den Klee gelobt werden – und auch im realen Leben werden sie nicht permanent für jede ihrer Handlungen “Beifall” erhalten.

  6. 26.01.2014, 01:31 Das “gelobte” Kleinkind #6

    Der Vorfall, über welchen ich laut Julikas “Therapeutin” hinweggehen sollte, ereignete sich vor etwa einem halben Jahr in unserem “Dörfchen”: Sie hat einen recht großen Stock genommen und damit eine ältere Dame, welche wir oberflächlich kennen und die meine Tochter nicht mag, damit so geschlagen, dass diese hingefallen ist. Dass ich von meiner “Motte” danach noch verlangt hätte, sie möge sich bei besagter Dame entschuldigen, sei laut “Therapeutin” absolut überzogen gewesen. Den Vorfall zu Hause noch einmal in Ruhe zu thematisieren, würde eine extreme Überforderung für mein Schätzchen darstellen. Im Übrigen hätte ich das alles ohnehin verhindern können, wenn ich mit der gesamten Situation im Vorfeld, als Julchen den besagten Stock entdeckte, der in ihrer Phantasie zunächst irgendein Tier und anschließend einen Gegenstand, an den ich mich gerade nicht genau erinnern kann, darstellte, spielerischer umgegangen wäre.

    Was sagt ihr dazu?!

  7. 27.01.2014, 15:02 Das “gelobte” Kleinkind #7

    Was ist das denn für ein Humbug??? Sorry, aber … Wenn mein Kind einem anderen Menschen einen Stock derart entgegendrischt, dass dieser hinfällt und sich verletzt … Nicht mögen hin oder her … Dann hat mein Kind sich zu entschuldigen und dies würde dann auch eine Konsequenz nach sich ziehen. Klar kann man jetzt sagen “Man hätte es als Mutter ja nicht so weit kommen lassen müssen”, aber das heisst ja noch lange nicht, dass man dem Kind anschließend signalisiert, dass die Sache nicht “beredenswert” war. Fehlverhalten ignorieren und dem Kind somit zeigen, dass besagtes Verhalten keine Reaktion nach sich zieht gut und schön … Aber irgendwo sind da auch Grenzen gesetzt. Und über eine Therapeutin, die anregt, über einen solchen Vorfall hinwegzusehen, würde ich wohl auch nochmal nachdenken.

    In einem gebe ich der Frau allerdings Recht … Zu Hause nochmal darüber zu sprechen, bringt m.E. nicht wirklich was. In den meisten Fällen haben die Kinder mit einem gewissen zeitlichen Abstand bereits vergessen, was sie gemacht haben. Vielleicht nicht komplett, aber doch die meisten Details. Die bringen das Gespräch am heimischen Küchentisch garnicht mit der vergangenen Situation in Verbindung.

  8. 28.01.2014, 22:51 Das “gelobte” Kleinkind #8

    Na, da bin ich ja froh sowie erleichtert, dass du zum großen Teil meiner Ansicht bist, liebe Bibi! Die besagte “Therapeutin”, die meine Tochter zu dem Zeitpunkt, als ich den Vorfall mit ihr thematisierte, ein- oder zweimal im Spielkontakt erlebt hatte, fand es wirklich schier unglaublich, dass ich von Julika verlangt hätte, sie möge sich (kurz) entschuldigen. Ich habe “Therapeutin” im Übrigen ganz bewusst in Anführungsstriche gesetzt, weil diese insgesamt lediglich drei sogenannte Spielkontakte mit Julika Aurelia hatte, wobei zwischen selbigen mitunter Wochen (oder gar zwei Monate) vergingen. Insofern kennt besagte Frau meine “Motte” aus meiner Sicht gar nicht (wirklich). Und alles, was ich geschildert habe, wurde mir nicht geglaubt bzw. als “übertrieben” abgetan. Man fühlt sich als allein erziehende Mutter, welche ihr Töchterlein wahrhaftig mehr als gut kennt, in solchen Situationen überhaupt nicht ernst genommen sowie “veräppelt”.

    Da es in der Praxis, in welcher ich mit Julika Aurelia war, ohnehin so lief, dass ich nach einem ersten Vorgespräch mit einer Ärztin unserem Gutachter gegenüber von dieser als “erziehungsunfähig” erklärt wurde und sie mich angeblich bereits in einer Straßenbahn mit Julchen gesehen haben will, wo ich mich lautstark über die Verrohung unserer Gesellschaft ausgelassen haben soll (was frei erfunden ist), mein werter Ex-Mann wohl mal wieder gezielt gegen meine Wenigkeit interveniert hat und die Ärzteschaft gegen mich aufgebracht hat und zudem noch lauter andere “Ungereimtheiten” vorgefallen sind, habe ich die letzten beiden Termine, welche eigentlich noch vorgesehen waren, in Absprache mit meiner Anwältin nicht mehr wahrgenommen, und meine Anwältin hat der zuständigen Ärztin ein Schreiben zukommen lassen, in welchem sie meine/unsere Entscheidung ausführlich begründet sowie detailliert auf die zahlreichen “Ungereimtheiten” hinweist.

  9. 29.01.2014, 11:09 Das “gelobte” Kleinkind #9

    Natürlich ist das Loben äußerst wichtig. Wie merken es an uns selber, auch wir Erwachsenen werden lieber gelobt als angemotzt, aber es geht nicht nur so. Also bei Kindern halte ich davon irgendwie einfach gar nichts. Man muss ihnen Grenzen setzten, denn wie sollen sie die denn von alleine erkennen?Also ich persönlich bin total gegen dieses “alleine seine Grenzen finden”: Das funktioniert meiner Meinung nach einfach überhaupt nicht.

  10. 29.01.2014, 12:06 Das “gelobte” Kleinkind #10

    Ich weiß auch beim besten Willen nicht, wie man darauf kommen kann, dass Kleinkinder/Kinder alleine ihre Grenzen finden sollen. WIE sollte dies auch funktionieren?! Weder im Elternhaus noch im Kindergarten noch in der Schule ist eine Erziehung möglich, ohne dass klare Grenzen gesetzt werden. Man möge mir ein Kleinkind/Kind zeigen, welches “erfolgreich” ganz, ganz alleine seine eigenen Grenzen gefunden hat!

    Bereits während meines Studiums empfand ich die Ausführungen in Kurt Zeidlers Buch “Die Wiederentdeckung der Grenze” als nur zu gut nachvollziehbar sowie einleuchtend.

  11. 29.01.2014, 14:48 Das “gelobte” Kleinkind #11

    Ich habe erst kürzlich einen Artikel gelesen, der das überschwengliche Loben kritisiert: http://www.heise.de/tp/blogs/6/155634. Irgendwann werden die Kinder nämlich von dem Lob abhängig, anstelle ein gesundes Selbstbewußtsein aufzubauen.

  12. Gestern, 12:51 Das “gelobte” Kleinkind #12

    Vielen Dank, lieber Otto, für das Einstellen des Links, der mich zu einem sehr interessanten Artikel geführt hat! Alles, was in selbigem steht, finde ich ungemein einleuchtend.

    Zudem hege ich die Befürchtung, dass gewisse Kleinkinder/Kinder, welche bereits ein gutes Sprachgefühl etc. haben, permanentes überschwängliches Loben irgendwann gar nicht mehr ernst nehmen/nehmen können. Mithin sehe ich die Gefahr, dass sie im weiteren Leben Schwierigkeiten haben werden, zwischen einem “echten Lob” und einem “mal so dahin gesagten Lob” zu differenzieren.

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