Eltern können im Regelfall nicht gegen ihren Willen zu Kontakten mit ihren Kindern gezwungen werden.
Das Bundesverfassungsgericht entschied am, Dienstag, dass ein erzwungener Umgang normalerweise nicht dem Wohl des Kindes diene. Die Gerichte müssten daher von solchen angeordneten Zwangstreffen generell Abstand nehmen. Eine Ausnahme sei nur denkbar, wenn es Anhaltspunkte dafür gebe, dass der Kontakt dem Kind doch zugutekomme. Die Richter gaben einem Familienvater recht, der vom Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg per Zwangsgeld zum Kontakt mit seinem unehelichen Sohn gezwungen werden sollte. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries sagte, das Gericht habe die Rechte der Kinder in Umgangsfragen gestärkt. (Az.: 1 BvR 1620/04)
Der Fall betreffe eine ungewöhnliche Fallgestaltung, sagte Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier bei der Urteilsbegründung in Karlsruhe. Denn ansonsten stritten Väter eher darum, ihre Kinder sehen zu dürfen. Der Kläger sieht durch seinen neunjährigen Sohn, der aus einem Seitensprung stammt, jedoch seine Ehe bedroht und will ihn nicht sehen. Das OLG hatte dem Familienvater deshalb ein Zwangsgeld von bis zu 25.000 Euro angedroht, sollte er sich den vom Gericht angeordneten vierteljährlichen Treffen verweigern.
GERICHT: KINDER HABEN EIGENE WÜRDE UND RECHTE
“Das Kind hat eigene Würde und eigene Rechte”, stellte Papier grundsätzlich klar. Dazu gehöre prinzipiell auch das Recht, seine Eltern zu sehen. Bei aufgezwungenen Treffen spüre das Kind jedoch keine Zuwendung, sondern die Ablehnung eines Elternteils. Das könne sein Selbstwertgefühl untergraben. Es sei nicht auszuschließen, dass solche Treffen für Kinder in einigen Fällen dienlich sein könnten. Von so einer Ausnahme könne ausgegangen werden, je älter und gefestigter ein Kind sei. Bei kleinen Kindern, die noch keine stabile Persönlichkeit entwickelt hätten, seien Zwangstreffen in der Regel nicht nützlich.
Das angedrohte Zwangsgeld verletze den Kläger außerdem in seinem Persönlichkeitsrecht, urteilte der Erste Senat im konkreten Fall. Das sei nur gerechtfertigt, wenn der Kontakt dem Jungen nütze, was die Richter bezweifelten. Das OLG muss den Fall nun erneut entscheiden und dafür auch das Kind anhören.
Das Urteil bestärke die Bundesregierung bei anstehenden Veränderungen im Familienrecht, sagte Zypries. Denn dabei solle das Kindswohl in den Vordergrund gerückt werden. Die Richter hätten klargestellt, wie wichtig der Kontakt zwischen Eltern und Kind sei, sagte Ulrich Mueller von der Organisation Väteraufbruch für Kinder. Dies stärke auch die Position umgangswilliger Väter, für die seine Organisation eintrete. Er gehe davon aus, dass ein erzwungener Umgang nun in der Regel erst bei Teenagern infrage komme.
Quelle: reuters.com